bild/räume zwischen realität und fiktion

katalogtext von ulrike kremeier
anlässlich der ausstellung „urban creatures“ im pori art museum



kennzeichend für die arbeiten der in berlin lebenden künstlerin michaela schweiger ist ein spezifischer diskursiver und formal-ästhetischer umgang mit den bedingungen alltäglicher wirklichkeit(en) spätmoderner gesellschaft und ihrer (massen)medialen repräsentationen, sowie deren (re)produktion und rezeption im spannungsfeld unterschiedlicher kultureller und künstlerischer reflexionsmodi, ihrer darstellungskonventionen und referenzsysteme. der wirklichkeitsbegriff, auf den die arbeiten von michaela schweiger rekurrieren, postuliert nicht eine homogene, lineare realitätsvorstellung, vielmehr bildet ein von theoretikern wie michel foucault geprägtes verständnis von parallelen wirklichkeiten, die an unterschiedliche gesellschaftsgruppen und deren (handlungs- und erfahrungs)räume geknüpft sind, die grundlage für ihre künstlerische auseinandersetzung.

schweigers thematischer fokus der reflexion von alltagserfahrung hat sich in den vergangenen jahren zunehmend auf die frage nach den bedingungen des architektonischen und des urbanen raums einerseits und der bedeutung medialer räume wie die des fernsehens, des kinos und des internets zugespitzt. ebenso wie die mediatisierung jener räume thematisiert wird, nutzt michaela schweiger die damit assoziierte strategien der bildproduktion und deren transgressionen für ihre arbeit.

so werden beispielsweise innerhalb von installationen aquarellierte zeichnungen beizeiten „nur“ als farbkopien, diaserien oder plots gezeigt, oder sie erscheinen als eingescannte, zu clips animierte bilder auf monitoren etc. dadurch werden die bilder in ihrer klassischen bedeutung des originals, als einem wesentlichen charakteristikum ökonomischer mehrwertschöpfung des kunstbetriebs, enthoben und symbolisch in einem verwertungzusammenhang der permanenten reproduzierbarkeit und verfügbarkeit visuellen materials verortet. jene kontextreferenzen sind beispielsweise städtische werbeplakate, der kinematische raum, aber auch die architektur als räumliches medium.

abseits des raums, der durch die sujets von abbildungen eröffnet wird, werden weitere, unterschiedlich konnotierte (bild)raumkonstruktionen evoziert und im räumlichen sowie im diskursiven umfeld des kunstkontextes positioniert.

neben den medial transformierten bildern, die teilweise auch in form von videoprojektionen, also immateriellen bildern, produziert und präsentiert werden, konstituieren sich die installativen settings über modellhafte, architektonische skulpturenelemente, die nicht nur in den primärraum der ausstellungsorte eingreifen, sondern auch den raum der künstlerischen arbeit definieren und gleichzeitig als projektionswände oder hängeflächen für bilder fungieren.

jene zu installationen verdichteten einzelkompenenten basieren auf dem konzeptuell fundierte zusammenspiel unterschiedlichster bildkategorien, medialer ebenen und raumstrukturen über die spezifische, innerhalb der jeweiligen elemente verankerten narrationsfragmente, entstehen. die in das räumlich-installative dispositiv eingeschriebene, übergreifende narration setzt sich demzufolge aus einzelteilen zusammen, die entlang einer formal-ästhetischen struktur wie inhaltliche kapitel funktionieren. diese erzählungen sind zwischen realität und fiktion angesiedelt. obschon sie von realen, beizeiten geradezu faktischen situationen ausgehen, ist ihnen kein dokumentarischer anspruch immanent, vielmehr zielen sie auf das imaginäre ab.

so liegen beispielsweise den drei, auf monitoren gezeigten videos der arbeit „schon siegt die fiktion über die realität...“ texte zugrunde, die in chatrooms virtueller städte kursierten. jene texe stehen in einem kalkulierten widerspruch zu den animierten zeichnungen des videos. während die texte von disparater wirklichkeitserfahrung zeugen, suggiert der geradezu naiv anmutende zeichenstil der videos die existenz einer schönen, heilen welt. die drei bildgeschichten korrespondieren und ähneln einander zwar, sind aber dennoch leicht divergent und scheinen sich mit fast unmerklichen abwandlungen zu wiederholen. diese repetionsanmutung wird durch den sound, der in unregelmässigen zeitlichen abständen die zeichenfilme begleitet, unterstützt und gleichermassen gebrochen, denn das musikalische geräusch beginnt mit einer harmonie und endet durch leichte verschiebung der tonalität in disharmonien. der sound fungiert nicht nur als konterkarierungsmoment für die videos, sondern führt zu einer zeitweiligen umcodierung der plakatartig geplotteten und montierten zeichung eines stadtpanoramas. der konnex zwischen den filmen und dem panorama wird allerdings nicht nur über den sound hergestellt, sondern spielt sich primär auf der kompositorisch-konzeptuellen ebene ab. denn die filmischen episoden sind als situationen angelegt, die aus dem stadtbild herausgezoomt sind. die stadtansicht, welche die idealisierte und kunsthistorisch geprägte form des panoramas als simulations- und reprätionsmöglichkeiten des urbanen raums nutzt, zeigt collagenhaft städtische räume, die von unterschiedlichen sozialen und kulturellen gruppen genutzt werden. Im zentrum der arbeit steht die befragung der similaritäten und Differenzen virtueller und analoger räume, sowie die untersuchung von definitionsmacht im sinne des sprechaktes als vorherrschender handlung im digitalen raum und der verbildlichung als künstlerischem akt.

michaela schweiger verbindet innerhalb ihrer installationen differenzierte varianten medial konnotierter bildproduktion mit unterschiedlichen historischen sowie neuzeitlichen raumkonzepten und –theorien, die sämtlich auf die herstellung künstlerischer bilder als entwurf von (raum)utopien einerseits verweisen und andererseits die symbolische aneignung als erweiterung oder analyse (sozial-politischer) utopien durch die kunst als prozess gesellschaftlicher und ästhetischer handlung positionieren.