Der Augenblick



Der Film „Der Augenblick“ setzt sich mit dem kurzen Moment auseinander, in dem eine Person an einem unbekannten Ort auf unbekannte Menschen trifft. Grundlage der Filmentwicklung sind Berichte von Personen, die sich aus unterschiedlichsten Beweggründen auf eine freiwillige oder erzwungene Reise ohne Wiederkehr machten und den Eintritt in eine neue Welt schildern.

Der Film entwickelt sich aus einer Unschärfe heraus und gibt den Blick auf eine weit entfernte Menschengruppe in einem beinahe ortlosen Raum frei. Die Kamera nimmt den Blick einer Person ein, die sich der Menschengruppe nähert. Das „Sich Nähern“ an die Personengruppe wird in Zeitlupe erlebt. In diese sehr langsame Szene des Annäherns werden kurze Szenen geschnitten, die mögliche Augenblicke in der Zukunft zeigen. Die unterschiedlichen Augenblicke des Ankommens, die wie Gedanken auf einem langen Weg auftauchen, sind mit dem immer gleichen Ensemble inszeniert. Die unterschiedlichen Reaktionen der Personengruppe erzählen darüber, dass unterschiedliche Dynamiken in Gemeinschaften unser Verhältnis zu Fremden prägen. Die Bilder in diesen kurzen Szenen sind metaphorische Bilder, die für die unterschiedlichen Erlebnisse und Empfindungen stehen, von denen die Emigranten berichteten.

Personen umringen jemanden und reden auf ihn ein, die Sprache dringt jedoch nicht durch; alle Blicke richten sich auf den Reisenden; Hände werden gereicht und die Kette, die sich dadurch bildet, schließt den Fremden aus. Diese Bilder begleiten den Ankommenden auf seinem Weg zu der langsam Kontur annehmenden Menschengruppe. Der Augenblick, in dem der Ankommende auf die Gruppe trifft, der Augenblick der etwa zwei bis drei Sekunden, selten etwas länger, eben bis zum nächsten Wimpernschlag dauert, scheint fast eingefroren zu sein. Ganz langsam wenden sich die Köpfe der Leute dem Ankommenden zu. Bevor er jedoch eingeschätzt und wahrgenommen wird, führt der Weg die Kamera in eine dunkle Fläche und der Film beginnt von Neuem. Wieder begibt sich eine Person auf den Weg.

„Der Augenblick“ ist in der Universalsprache Volapük gedreht. Volapük, der Vorläufer von Esperanto, sollte zu einer weltweiten Verständigung führen. Die Art des Sprechens macht Grundstimmungen deutlich, aber der Inhalt der Gespräche bleibt unklar, die Beteiligung am Gespräch ist unmöglich. Der Betrachter bleibt der Außenstehende, der hofft, bangt, umringt und abgewiesen wird. Die Frage kommt auf: Will ich Teil einer solchen Gemeinschaft sein?

„Wie Odysseus glaubt man immer, angekommen zu sein, aber immer wieder gibt es neue Hindernisse“ (Anna Seghers, Transit)